geflutet
Ein Backup vom Internet?

Hallo Welt,

jeder PC-Nutzer, der sich schon mal mit einem Festplatten-Defekt rumärgern durfte, wird wohl über das Freud und Leid von Backups bescheid wissen.
Ein Backup der etwas anderen Art hat - zumindest nach meiner persönlichen Einschätzung - nun die Deutsche Nationalbibliothek (DNB) vor: und zwar die Archivierung des kompletten deutschsprachigen Internets.

Das klingt seltsam? Ist es auch! Dass die DNB einen Sammelauftrag für alle deutschsprachigen Veröffentlichungen in gedruckter Form hat, dürfte allseits bekannt sein. Und dafür gilt es dieser Einrichtung natürlich größtmöglichen Respekt zu zollen, schließlich ist es eine gigantische Aufgabe, jedes Buch, jede Zeitschrift und sonstige Veröffentlichung zu erfassen und dauerhaft zu archivieren.
Seit Juni 2006 gibt es eine Neufassung dieses gesetzlich geregelten Sammelauftrages, der sich nun auch auf "Netzpublikationen" ausdehnt. Spaßig zum einen ist dabei die Definition einer solchen Netzpublikation, die da wäre:

"Zum Sammelgebiet Netzpublikationen gehören alle Darstellungen in Schrift, Bild und Ton, die in öffentlichen Netzen zugänglich gemacht werden."

Wenn ich mich nicht irre, dürften darunter wirklich alle deutschprachigen Internetseiten fallen. Wenn also der Familienvater Hans Müller vom Sommerurlaub in der Türkei einen Reisebericht auf die private Webseite stellt, das Ganze mit Fotos und einem kleinen Video versieht, dann dürfte diese Netzpublikation unter den Sammelauftrag der DNB fallen.
Das wäre in etwa so, als müsste ich meine Einkaufsliste vom letzten Wochenendeinkauf in doppelter Ausfertigung zur Archivierung an die DNB schicken ...

Und genau da liegt auch schon der zweite spaßige Gedanke versteckt:
Schließlich rennt die DNB nicht umher und sammelt Bücher oder Zeitschriften ein. Vielmehr gibt es eine "Pflichtablieferungsverordnung", die beschreibt, dass jeder Verlag selbstständig die Exemplare abzuliefern hat. Und - ihr habt es bereits erwartet - dieses Verfahren der Ablieferung soll nun auch für Netzpublikationen gelten. Es wird also nicht "einfach" das deutschsprachige Internet gespiegelt (schon das wäre eine Wahnsinns-Aufgabe), nein, vielmehr sollen die Herausgeber von Netzpublikationen an einem Ablieferungsverfahren teilnehmen.

Interessant für die jeweils technisch Verantwortlichen ist auch die Beschreibung, wie dieser Vorgang der Ablieferung im Detail ausschaut:

"Sie packen alle zur Netzpublikation gehörenden Dateien in eine Archivdatei. Zulässige Dateinamenserweiterung sind zip, tar, tgz oder tar.gz. Diese Archivdatei senden Sie per File Transfer (FTP) mit einem beliebigen FTP-Programm an die Adresse ..."

Wow, da hat sich ja jemand richtig Gedanken gemacht! Alle Dateien in ein zip-Archiv packen? Das kann ja wohl nur ein schlechter Scherz sein. Mit dem Hintergedanken, dass die entsprechende Netzpublikation auf dem Archivierungsserver der DNB lauffähig sein soll, dürfte das so kaum funktionieren. Schließlich besteht eine Netzpublikation nicht aus ein paar HTML-Seiten samt Bebilderung. Vielmehr ist das ein mitunter hochkomplexes Zusammenspiel von Scripten, Datenbanken und Serverstruktur, ohne die eine dynamische Webseite nun mal nicht funktioniert. Und eben dieses komplexe Gefüge lässt sich nicht einfach packen, per FTP kopieren und dann in identischer Art und Weise wieder zum Laufen bringen!

Wir dürfen also gespannt sein, wie dieses Vorhaben im Detail umgesetzt werden wird und was die Neuformulierung der "Pflichtablieferungsverordnung" bringt, die im kommenden Winter veröffentlicht werden soll.
Bis dahin werden wir einen kleinen Beitrag zur Vergrößerung des deutschsprachigen Internets leisten - und versorgen euch mit ein paar Kurzmeldungen :)

Viele Grüße,
Tomas

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