Betritt man die Gemäuer der Eidos Studios, so wird einem eines sofort klar: Tomb Raider ist das Aushängeschild der Firma. Lara Merchandising wohin das Auge blickt.
Kaum ein Videospielprotagonist hat in den Neunzigern für soviel Aufregung gesorgt wie die britische Adelstochter Lara Croft. Diverse Filme, Musikvideos, Merchandising bis zum Abwinken und nicht zuletzt die Videospiele für PSx, PS2, Saturn, Dreamcast, Gameboy Color und dem Palm Remake des ersten Teils. Kaum ein Eidos Franchise hat mehr Männerherzen gebrochen. Mit dem Verschwinden Laras im vierten Teil The Last Revelation brach eine Lawine von Fanbriefen mit Selbstmorddrohungen los.

Lange war es ruhig um die akrobatische Archäologin und außer einem Spiel namens The Chronic mit Rückblicken aus diversen vorherigen Teilen der Serie gab es wenig Hoffnung für Laraanhänger. Dann die freudige Botschaft: Lara kehrt zurück. Doch ihr PS2 Debüt mit dem Titel Angel of Darkness strotzte nur so vor Fehlern, war in bezug auf Action und Rätsel zu leicht und auch die Story konnte nur mäßig beeindrucken. War es anfangs noch in Eidos’ Ermessen, die Tomb Raider Serie als Episodenspiel fortzusetzen, entschloss man sich des schlechten Feedbacks wegen, dem geistigen Vater Core die Rechte an der Entwicklung zu entziehen und sie einer anderen Tochterfirma
zu übergeben. Crystal Dynamics - Schöpfer der Gex Spiele sollte sein Können unter Beweis stellen. „Lara ist nicht nur irgendein Franchise, sondern die Seele des Unternehmens. Ebenso schmerzhaft war es mit anzusehen, wie Lara im letzten Teil von der Fangemeinde und der Fachpresse in die Mangel genommen wurde. Da müssen wir unbedingt was ändern.“ So oder so ähnlich waren die letzten Sätze vor dem großen Entwicklerwechsel. Und das Resultat kann sich durchaus sehen lassen.

Laras neuestes Adventure zeigt, wie gut Entwickler Crystal Dynamics an die Sache herangegangen ist. Einfach nur ein bestehendes Spiel mit einer neuen Story zu beziehen, schien den Jungs zu einfach. So wurde die Serie einem kompletten Facelifting unterzogen. Eine neue Engine musste her und Storyschreiber sollten Lara wieder zurück zu ihren Wurzeln führen.

Und das haben sie sichtlich geschafft. Ihr neuestes Abenteuer beginnt irgendwo im Dschungel, führt euch von Bolivien nach Russland bis nach England. Die Locations sind also gut gewählt. Dabei ist Lara auf der Suche nach einem Artefakt, mit dem sie schon zu Beginn ihrer Karriere in Verbindung gebracht wurde. Sie muss ihre Vergangenheit wieder aufleben lassen und erinnert sich an den Flugzeugabsturz, den sie zusammen mit ihrer Mutter erlebte. So führt eines zum anderen und die Geschichte entwickelt sich – nicht nur während der Zwischensequenzen – immer weiter.
So ballert sich die fesche Britin durch Horden gleich aussehender Schurken, gefährlicher Tiger und noch gefährlicherer Fabelmonster und Dämonen. Leider fehlt es hier an Abwechslung. Die menschlichen Gegner erscheinen leider zu häufig auf dem Screen, außer Tigern gibt es keine tierischen Gegner und die Bosskämpfe laufen – so fulminant sie auch in Szene gesetzt worden – immer nach dem gleichen Schema ab. Schade, denn gerade hier hat sich Lara die falsche Scheibe vom ersten Teil abgeschnitten.

Ein kleines, sexy Kletteräffchen war Lara ja schon immer. Aber Legends setzt ihrem bisherigen Repertoire noch eins obendrauf. Freunden des persischen Prinzen wird bei Laras Anblick schon mal die eine oder andere Freudenträne über die Wangen laufen. Und bei all ihren Manövern, wie Salto rückwärts, an Vorsprüngen hin und her hangeln oder gekonnt abrollen und dabei sexy aussehen, macht Lara eine immens gute Figur! Das verdankt sie größten Teils der Runderneuerung der Engine. Bei der vorliegenden PS2 Version läuft das Spiel in konstanten 30 – 50 Frames pro Sekunde und kommt auch bei hohem Gegneraufkommen nicht ins Stocken. Auf der Xbox glänzt die Hobby Archäologin mit ultrafeinen Texturen, einem noch flüssigeren Spiel und genialen Lichteffekten.

Das krönende Häubchen bildet allerdings die Xbox 360 Version zusammen mit der PC Version. Lara tropft, nachdem sie aus dem Wasser gekommen ist und ihr könnt beobachten, wie ihr das feuchte Nass zart in Richtung weit ausgeschnittenes Archäologendekollete rinnt. An Felsen erkennt Ihr Rillen und sogar die letzte Furche der obligatorischen Double Beretta ist schön zu erkennen. Einfach göttlich, wenn Ihr in den Genuss kommt Legends auf einem HD Ready Fernseher spielen dürft. PC Besitzer erfreuen sich gleichermaßen an den schönen Kurven Laras. Vor allem die spektakulär in Szene gesetzte Aussicht von der Spitze der Anden aus ist einen Blick wert.

Ebenso gut gelungen ist die deutsche Synchro, bei der sich Entwickler aus Fernost mal ein Scheibchen abschneiden können. Nicht nur gute Sprecher, sondern auch ein genialer Raumklang lassen Tomb Raider Legends in ein gutes, akustisches Licht treten. Lediglich die Titelmelodie hört sich etwas aus der Retorte an, aber wozu ewig im Hauptmenü verweilen?

Weitere Neuerungen stellen einmal der Haken dar, mit dem Lara Hebel über Distanz betätigen kann und die Tatsache, dass Lara jetzt endlich wieder fahrbare Untersätze nutzen kann. Abgesehen davon nutzt Lara weitere technische Neuerungen, wie einen PDA. Von einigen Teilen sind wir ja kleine Strecken mit Quad oder Motorrad gewohnt – in Legends gibt es jetzt ganze Abschnitte, in denen Lara auf dem Motorrad unterwegs ist. Diese Umstellung ist aber teilweise eher nervig als dass sie etwas zum Spiel beiträgt.

Einen kleinen Kritikpunkt hätte ich noch: In meiner geschätzten Jugend habe ich Stunden vor dem PC oder Fernseher zugebracht, nur um wichtige Artefakte zu retten. Dabei hätte es sich auch das ein oder andere Mal gelohnt, die Schule zu schwänzen. Leider ist dieses Feeling bei Legends nicht mehr vorhanden. Der Schwierigkeitsgrad ist einfach nicht Lara – like und die Dauer des Abenteuers beschränkt sich auf gerade mal sechs Stunden. Auch der Versuch durch höhere Gegneraufkommen in einigen Abschnitten etwas Zeit zu schinden ist nicht geglückt. Auch die spärlich gesäten Savepoints reißen den Schwierigkeitsgrad nicht aus dem Ruder.
Nichts desto trotz ist Tomb Raider Legends wieder ein Must Have Titel für alle Lara Fans, der die Serie in neuem altem Glanz erstrahlen lässt und ein durchaus gelungenes Spiel für alle, die sich Neulinge auf diesem Gebiet nennen können.

Nach der Pleite des letzten Teils war es lange still um die Archäologin. Doch die Ruhepause hat ihr sichtlich gut getan. Dank des Entwicklerwechsels ist Legends spielenswert und wird hoffentlich die Fangemeinde wieder zurückführen. Die Anleihen eines Prince of Persia tun ihr übriges zu einem genialen Ableger der Serie. Doch auch der größte Erfolg hat seine Schattenseiten. Die Rätsel sind einfach zu leicht gestaltet, sodass auch Neulinge nicht lange brauchen um sie zu lösen, die Bossfights laufen fast alle nach dem gleichen Schema ab und nach geschätzten sechs Stunden im leichten Modus ist das Abenteuer auch schon wieder vorbei. Auch die teils ungewöhnliche Kameraführung ebenso wie die Action erinnern mich eher an Titel wie Matrix Path of Neo oder Total Overdose. Vor allem aber die wie immer gekonnt in Szene gesetzte Lokalisation mit hervorragenden Synchronsprechern kann man Eidos nur zu gute legen. Ein kleiner Lichtblick am Rande: Mit Legends soll Eidos erstmals wieder den GameCube supporten, auch wenn die GC-Variante wohl noch einige Monate auf sich warten lassen wird.