Deus Ex Invisible War
Gestern hat mich mein Sohn bei einem FIFA 2003-Spiel voll abgezockt. 25:11 nach 90 Minuten realer Spielzeit. Da kam fast Frust auf, aber nur "fast". Ob Andreas Kunert bei seinem Test es besser hatte? Nun ja, schaut selber nach.
Kurz nachdem die Demo zu Deus Ex 2: Invisible War erschien waren die Aufschreie der Fans groß. Das Spiel sei ein riesiger Flop und man solle besser noch mal den genialen Vorgänger aus dem Schrank kramen. Bis die komplett lokalisierte, gepatchte deutsche Version von Deus Ex 2 bei uns in den Ragalen stand waren einige Monate ins Land gezogen. So wird es höchste Zeit zu zeigen ob das Spiel wirklich nicht die hohen Erwartungen erfüllen kann.
Wo bin ich? Was will ich?
Die Introsequenz, die sie zu Beginn der Kampagne zu sehen bekommen, lässt erst mal viele Fragen offen. Ein Terrorist zündet mitten im Chicago der Zukunft einen hoch gefährlichen Sprengsatz, worauf die gesamt Stadt ausgelöscht wird. Nur die Tarsusakademie hatte bereits Vorahnungen von einem solchen Anschlag und einige Mitarbeiter schaffen es gerade noch euch nach Seattle zu evakuieren. Ihr seid Alex D., macht gerade eine Ausbildung um gerade solche Terroranschläge zu vereiteln und schlüpft wahlweise in eine männliche oder weibliche Rolle. In Chicago angekommen wird allerdings auch diese Einrichtung angegriffen und ihr müsst erst mal fliehen. Alles was bei ihr bei dieser Flucht wissen müsst, wird euch wie in einem Tutorial erklärt. Doch schon jetzt vertritt eine andere Auszubildende die These, dass die Tarsusakademie all ihre Schüler nur als Testobjekte für Nanoimplante missbraucht.
Für wen arbeite ich?
Schon zu Beginn des Spiels steht es euch offen ob ihr euch auf die Seite der WTO oder des Ordens, der streng gegen jedes Konsumdenken und Materialismus ist, schlagt. Später kommen auch noch die cyborgähnlichen Omar, die nur ihre Handelsinteressen vertreten, und die Templer dazu. Im weiteren Spielverlauf trefft ihr auch wieder auf die Illuminati aus Teil eins. Von den drei Erstgenannten oder von ganz normalen Leuten bekommt ihr dann Aufträge erteilt. Dabei durchschreitet ihr zwar immer den gleichen Level, egal für wen ihr kämpft doch ändern sich dann die Aufträge. So gibt es auch diesmal mehrere mögliche Enden. Auf Seiten des Ordens sollt ihr einmal beispielsweise den Leiter eines Forschungsprojekts unschädlich machen, wohingegen die WTO gerne die Waffe, an der geforscht wird, hätte. Die jeweiligen Führer der Gruppen nehmen dann direkt Kontakt mit euch auf und erklären euch ihren Standpunkt und den des Gegners. Wem ihr allerdings vertraut steht euch offen. Allerdings müsst ihr theoretisch damit rechnen, dass ihr es euch mit einer Gruppe verscherzt, falls ihr nur gegen ihre Interessen agiert. Leider wurde dieses Feature nicht so konsequent umgesetzt, denn es ist auch möglich immer die einfachen und lohnenswerten Aufträge zu erfüllen, egal auf welcher Seite ihr spielt. Richtigen Ärger bekommt ihr dafür keinen. In Gesprächen mit euren Auftraggebern könnt ihr auch manchmal aus mehrere Antworten wählen, die den Spielverlauf leicht beeinflussen. So werden einige Menschen, wenn man die falschen Worte finden ganz schön aggressiv. Die Story reicht dabei an die Qualitäten des Vorgängers heran und birgt viele Überraschungen. Trotz der praktisch fehlenden Videos wird so eine sehr atmosphärische Geschichte erzählt. Kleinere Nebenaufträge bringen Abwechslung in das Spiel. So werdet ihr einmal in einen „Kaffeekrieg“ gezogen, in dem ihr dann u.a. die Vorräte eines gegnerischen Kaffeeladenbesitzers abbrennen müsst. Manchmal werdet ihr auch von Einwohnern gefragt ob ihr nicht ein paar Genehmigungen, die sie dringend brauchen, in die WTO Computer eingegeben könnt. Wenn ihr dann ein Ziel erreicht habt bekommt ihr öfters Geld oder Gegenstände.
So viel Auswahl
Wie bereits in Deus Ex könnt ihr auch im Nachfolger euren Charakter mit Bioimplantaten verbessern. Alex D. verfügt, man möge es kaum Glauben, über mehrere Körperteile, in die man Modifikationen implantieren kann. Das Bein bietet z.B. Platz für eine Tempomodifikation, die Alex zu einem verkappten Maurice Green macht. Ihr könnt aber auch die Schleichmodifikation nehmen, worauf eure Trittgeräusche auf ein Minimum reduziert werden. Eine weitere Möglichkeit ist die Egeldrohne, die eure Energie mit Hilfe von toten organischen Lebensformen wieder auffüllt. Dabei macht es einen Unterschiede ob die Modifikation aktiv, d.h. Energie verbraucht, oder passiv ist und so nie Energie benötigt. Ihr könnt euch aber von den insgesamt 15 Modifikationen nur fünf aussuchen und diese dann weiter upgraden, worauf sie beispielsweise weniger Energie verbrauchen. So muss man sich entscheiden ob man wie eine hochgezüchtete Kampfmaschine alles niederschießt oder ob man sich lieber als Hacker betätigt und die feindlichen Sicherheitsroboter und Geschütze umprogrammiert. Diese könnt ihr bei ausreichenden Upgrade der entsprechenden Modifikation auch steuern, worauf eure Gegner recht überrascht reagieren. Die Vielfalt der Möglichkeiten ein Missionsziel zu erreichen ist so enorm groß. Das Leveldesign begünstigt diesen Umstand auch, indem es immer einen offensichtlichen und einen Schleichweg durch den Untergrund oder Luftschächte gibt. Wenn man keine Lust auf Konfrontationen hat kann man sich mit den richtigen Bioimplantaten fast zu einem Gespenst machen, der unerkannt bleibt. Falls ihr doch nicht eure friedfertige Seite zeigen möchtet gibt es eine Hand voll Waffen, die für jede Gelegenheit passen. Es gibt für den Nahkampf tödliche Schwerter aber auch den Taser, der seine Gegner nur betäubt (einen Unterschied macht das nicht). Dazu kommen diverse Standardwaffen wie die MP oder einen Raketenwerfer, die auch über Sekundärfunktionen verfügen. Eine handvoll Granaten und Minen tun ihr Übriges um das Spiel variabel zu gestalten. Eine Mine macht nur ein Geräusch was die Gegner ablenkt, andere setzen Gas frei. Einige Minen haben die Eigenschaft besonders gegen Roboter verheerend zu wirken. Jede Waffe kann dabei mit zwei Erweiterungen ausgestattet werden, die den Schaden verstärken, einen Schalldämpfer integrieren oder die Reichweite erhöhen. Die Gegner die man damit bekämpfen muss reichen von verschiedenen Überwachungsbots bis zu echsenartigen Tieren, die sich leider nur mittelmäßig klug verhalten. Immerhin eilen sie bei einem Alarm heran und untersuchen die Gegend (Nein, nicht die Echsen). Leider haben die Entwickler das Erfahrungspunktesystem, das es noch im Vorgänger gab, ersatzlos gestrichen. So bleibt euch leider eine Möglichkeit weniger euren Alex. D. individuell zu gestalten. Zudem leidet die Motivation darunter, denn von den Biomimplantaten gibt es so viele, dass man am Ende einige übrig hat.
Das Equipment
Neben den Waffen kann Alex. D in seinem stets zu kleinen Inventar noch Medikits oder Energiezellen verstauen, die die benötigte Energie für die aktive Modifikation aufladen. Multitools dienen als Ersatzschlüssel für Türen und Behälter, falls mal der Zugangscode fehlt, oder können für die Manipulation von Überwachungskameras und Geschützen benutzt werden. Im Spielverlauf müsst ihr so immer wieder Hindernisse in Form von Gegnern, Energiebarrieren oder Geschützen überwinden. Kombinationsrätsel oder Scripts sucht man vergebens. Die Steuerung ist wegen der Tasten mit denen man direkt auf Implantate und Inventargegenstände zugreifen kann, schnell zugänglich. Alex. D steht allerdings nicht das Bewegungsrepertoire einer Lara Croft zur Verfügung, sodass man auch keine Knoten in die Finger bekommt. Die Grafik reicht von schön texturierten, detaillierten Räumen bis zu immer den gleichen Luftschächten. Die Synchronisation ist sehr gute gelungen und auch die Welt wirkt in Deus Ex 2 durch Gespräche der Bürger oder Kommentare wie „Ich zeig dich an“, wenn man mal auf Leuten rumspringen sollte, sehr lebendig. Die Welt ist allerdings im Gegensatz zum Vorgänger meist auf kleinere Areale begrenzt. Dank eines sehr realitätsnahen Physiksystems erwischt man sich öfters dabei irgendwelche Gegenstände einfach nur herum zu werfen um zu sehen was mit ihnen geschieht.
Die Spielzeit ist mit knappen 15 Stunden länger als in den meisten Genrevertretern ausgefallen.
Die Spielzeit ist mit knappen 15 Stunden länger als in den meisten Genrevertretern ausgefallen.
Fazit:
Ist Deus Ex Invisible War ein würdiger Nachfolger von Deus Ex? Die Antwort lautet „Jein“. Die meisten Elemente wurden beibehalten. Die vielfältigen Möglichkeiten Probleme zu lösen und sich in der Welt zurechtzufinden versprühen nach wie vor ihren Reiz. Leider wurde das Erfahrungspunktesytem gestrichen, was besonders im Vorgänger sehr zum Gefühl beitrug seinen eigenen Charakter zu formen. Es wurden auch keine wirklichen Neuerungen eingeführt. Was bleibt ist ein sehr gutes Action-Adventure mit unendlich vielen Freiheiten, was immer noch besonders in diesem Genre ist und keinesfalls zum Einheitsbrei gehört. Das Spiel leidet definitiv unter den hohen Erwartungen, die gestellt wurden. Wer noch nicht den Deus Ex gespielt hat wird begeistert sein, die anderen, die ihre hohen Erwartungen leicht zurückschrauben garantiert auch.
Gesamtübersicht: Deus Ex Invisible War
Unsere Bewertung:
Langzeitmotivation:
Langzeitmotivation:
86%
Sound:88%
Grafik:83%
Singleplayer:86%